Woody Allen – ein thanatologisches Werkprofil

Allan Stewart Konigsberg (so Woody Allens bürgerlicher Name) ist wahrscheinlich für viele Menschen der Prototyp des us-amerikanischen Künstler-Intellektuellen: klein, schmächtig, stets Hornbrille tragend, dem Jazz zugeneigt, New Yorker, jüdischer Herkunft und immerzu grübelnd, fragend, (ver-)zweifelnd. Nicht zu vergessen: der Mann ist Atheist und macht daraus keinen Hehl, ganz im Gegenteil. Die existentiellen (oder gar: existentialistischen?) Fragen, die sich ihm deshalb stets stellen – er kann ja nicht auf die vorbereiteten Antworten einer Religion zurückgreifen – verarbeitet er spätestens seit dem Ende der 60er-Jahre mehr oder weniger offen in seinen Filmen und Stücken. Wen wundert es da, dass auch das Problem des Todes ein immer wiederkehrendes Thema in Allens Werken darstellt?

Steven Savona nimmt diese Einsicht in seinem Artikel Death in the Films of Woody Allen: A Semiotic Analysis (2013) zum Anlass, einen rasanten und oberflächlichen Durchlauf durch das Gesamtwerk des Künstlers herunter zu spulen, um Beispiele für direkte und indirekte Todes-Symbole zu finden und so nachzuweisen, dass sich die Beschäftigung mit diesem Phänomen tatsächlich durch alle Phasen von Allens Schaffen hindurch zieht – ja, dass sie eine Veränderung über die Zeit erfahren habe. Doch muss diese Analyse zwangsweise unvollständig bleiben, weil dann doch viele Filme aber vor allem eben die Theaterstücke in Gänze fehlen. Bei dem gewaltigen Umfang von Allens Œuvre müsste eine erntzunehmende Untersuchung der Beschäftigung des Filmmachers mit dem Tod schon den Umfang einer Dissertation annehmen.

Der vorliegende Beitrag wählt daher einen bescheideneren Ansatz. In chronologischer Reihenfolge soll eine Auswahl der Werke Allens zunächst vorgestellt und danach kurz besprochen werden, die sich mehr oder minder explizit mit thanatologischen Themen beschäftigen. Eine Orientierung bieten hierbei die Titel, die der Schreiber Allen seinen Texten gegeben hat. Was liegt näher, als in einer entsprechenden (bewussten) Bezeichnung seitens des Autors einen Hinweis auf den Inhalt und seine Bedeutung zu verstehen? So wird neben seinen kurzen Stücken „Death Knocks“ (1968) und „Death“ (1975) auch einer seiner frühen Filme, „Love & Death“ (1975), vorgestellt. Dabei verwundert es nicht, dass all diese Erzeugnisse aus der Frühphase von Allens „ernsterem“ Schaffen stammen, genauer aus der Periode, in der er versuchte, sich von seiner Rolle als Comedian zu lösen.

1. Death Knocks

Nat Ackermann, siebenundfünfzig, Unternehmer, rundlich, wohlhabend, bekommt eines abends unerwarteten Besuch. Der Tod steht plötzlich im Schlafzimmer. Warum? Nun, dafür kann es nur einen Grund geben. Auch wenn der Sensenmann eher den Eindruck eines eher unerfahrenen und vom Pech verfolgten Angestellten macht: Ackermanns Zeit scheint gekommen. Aber wie alle Gerufenen, die die Gelegenheit dazu haben, beginnt er zu feilschen und kann den Gevatter zu einem Spiel Karten überreden. Der mögliche Gewinn für den Todgeweihten – dieser Topos ist seit Ingmar Bergmanns „Das Siebente Siegel“ weithin bekannt – ist eine Verlängerung der Verweildauer im Diesseits. Tatsächlich gelingt dem Geschäftsmann der Coup und er gewinnt vierundzwanzig Stunden – sowie 28 Dollar! Definitiv ein schlechter Tag für den Schnitter.

2. Death – A Comedy in One Act

Kleinmann, man will hier meinen: ein alter ego Allens, wird mitten in der Nacht von seinen Bekannten aus dem Bett geklingelt und hinaus auf die Straße gezerrt. Ein verrückter Serienmörder ist in der Stadt unterwegs und die Nachbarschaft bildet eine Bürgerwehr, die den Übeltäter mit einem ausgeklügelten Plan fassen will. Kleinmann soll dabei helfen. Doch niemand weiht den Neuzugang darin ein, wie dieser Plan aussieht oder was er zu tun hat. Wie sich herausstellt ist er damit nicht allein. Jedermann scheint beschäftigt, doch die Zusammenhänge bleiben – angeblich vorsätzlich – allen dunkel. Kleinmann wird allein gelassen, streift verwirrt und verängstigt durch die Nacht und wird schließlich gar verdächtigt, selbst der Mörder zu sein. Gerade dem Lynchmob entkommen, trifft er den wahren Killer und wird von diesem getötet.

3. Love and Death

Boris Gruschenko (gespielt von Allen höchstpersönlich), wächst als zart besaiteter Denker und Neurotiker im zaristischen Russland des beginnenden 19. Jahrhunderts auf. Nicht, dass seine Lebensumstände damit schon schlimm genug wären, wird er auch noch zum Kampf gegen Napoleon eingezogen.  Als an der Absurdität des Lebens verzweifelnder Intellektueller mitten in einem Krieg, der zudem noch nach seiner großen Liebe sucht, wird Boris schließlich in eine Reihe von Konflikten verwickelt, bei deren Lösung ihm die Philosophie nur bedingt helfen kann. Im Zuge eines Attentatsversuchs auf Napoleon wird er verhaftet und zum Tode verurteilt – eine scheinbar religiöse Erfahrung während seiner Haft bringt nicht die erhoffte Rettung. So kommt Gruschenko am Ende zu einer nüchternen Erkenntnis bzgl. der großen Fragen des Lebens.

Teil II wird in Kürze ergänzt.

Daten und Fakten:

  • Woody Allen: Death Knocks. In: Getting Even. New York: Samuel French 1978, 31-41. Broschiert, 122 Seiten, ca. 13,00 US$, ISBN 978-0-394-72640-3. Das Stück ist auch online verfügbar: http://deathknocks.webs.com/theplay.htm
  • Woody Allen: Death – A Comedy in One Act. New York: Samuel French 1975. Broschiert, 66 Seiten,  ca. € 6,00, ISBN 978-0-573-62129-1.
  • Woody Allen: Love & Death. USA: Metro Goldwyn Mayer, 1975. Sprache: Englisch. Laufzeit: ca. 85 Min. Seite des Films in der IMDb.

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