Archiv der Kategorie: Video

Woody Allen – ein thanatologisches Werkprofil

Allan Stewart Konigsberg (so Woody Allens bürgerlicher Name) ist wahrscheinlich für viele Menschen der Prototyp des us-amerikanischen Künstler-Intellektuellen: klein, schmächtig, stets Hornbrille tragend, dem Jazz zugeneigt, New Yorker, jüdischer Herkunft und immerzu grübelnd, fragend, (ver-)zweifelnd. Nicht zu vergessen: der Mann ist Atheist und macht daraus keinen Hehl, ganz im Gegenteil. Die existentiellen (oder gar: existentialistischen?) Fragen, die sich ihm deshalb stets stellen – er kann ja nicht auf die vorbereiteten Antworten einer Religion zurückgreifen – verarbeitet er spätestens seit dem Ende der 60er-Jahre mehr oder weniger offen in seinen Filmen und Stücken. Wen wundert es da, dass auch das Problem des Todes ein immer wiederkehrendes Thema in Allens Werken darstellt? Weiterlesen

Terry Pratchett „Choosing to die“

Der weltberühmte Fantasy-Autor Terry Pratchett – Verfasser der Scheibenwelt-Romane und Erfinder einer der wohl prägnantesten Anthropomorphisierungen des Todes, ist nach dem derzeitigen Stand der Medizin unheilbar krank. Im Jahr 2007 wurde bei ihm eine Form von Alzheimer diagnostiziert. Seitdem leidet er zunehmend unter den Symptomen der Krankheit, die ihn auch zusehends bei seiner Arbeit als Schriftsteller behindert. Seine eigene Zukunft antizipierend beschäftigt sich Pratchett in der 2010 gedrehten, 2011 veröffentlichten und hier vorgestellten Dokumentation mit der beängstigenden Frage, wie sein Leben zu Ende gehen soll. Dabei stehen für ihn grundsätzlich offenbar drei Möglichkeiten offen: (1) ein natürliches Ende, in der pflegenden Obhut seiner Ehefrau, (2) ein professionell betreutes, natürliches Ende in einem Hospiz, oder (3) ein assistierter Suizid, etwa begleitet durch die Schweizer Organisation DIGNITAS, da medizinische Hilfe zum Sterben – trotz mehrerer Änderungsversuche in den letzten Jahren – in Großbritannien weiterhin illegal ist. Ausgeschlossen scheint für den Autor hingegen ein „good old-fashioned suicide“, da er diese mit Schmerzen, großem Leid und der Furcht vor einem Fehlschlag zu verbinden scheint.

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BBC: After Life – The Strange Science of Decay

„Life relies on Death. Living things – us included – can only be made from the remains of dead things.“ (George McGavin, Biologe)

Diese simple, ja profane Einsicht in den biologischen Kreislauf des Werdens und Vergehens steht am Anfang der von der BBC erstmals 2011 ausgestrahlten Dokumentation „After Life – The Strange Science of Decay“ – und sie gibt einen Ausblick auf das, was den Zuschauer in den folgenden circa anderthalb Stunden erwartet: In einer gläsernen Box, aufgestellt in einer Halle im Zoo von Edinburgh und für die Öffentlichkeit vollständig einsehbar, haben Ingenieure und Biologen einen Musterhaushalt aufgebaut und ihn mit allem aufgefüllt, was an verderblichen Waren in einer solchen Wohnung zu erwarten ist. In einem Langzeitexperiment über acht Wochen überlasst man dieses Szenario nun sich selbst, um dabei zu beobachten, wie Verwesungs- und Zersetzungsprozesse eigentlich genau ablaufen – und um am Ende hoffentlich auch anschauliche Belege für die Eingangsthese präsentieren zu können.

Der Fokus dieser BBC-Infotainment-Produktion liegt zwar neben einer sehr seichten, populär-wissenschaftlichen Erklärung der dargestellten Prozesse ganz klar auf den optischen Eindrücken des Verfalls, die dank hoher Auflösung von 720p auch wundervoll in Szene gesetzt werden, allerdings bietet der philosophische Rahmen, obwohl er leider sehr reißerisch gezeichnet wird, durchaus auch Ansätze zu tiefgründigerer Kontemplation über die Bedeutung der dargestellten Prozesse. Schon der Titel ist eine Provokation, weil er entgegen der üblichen Verwendung des Wortes „Jenseits“ diesen Begriff im Grunde mit dem Diesseits gleichsetzt. Nach dem Leben folgt neues Leben. Das Wortspiel funktioniert allerdings leider nur in der englischen Sprache.

Wer sich für den Kreislauf des Lebens interessiert, die (biologische) Bedeutung des Todes, bzw. des Verfalls für das Leben zu bestimmen sucht, oder wer einfach wundervolle Bilder von toten Dingen sehen möchte, auf die sonst selten eine Kamera gerichtet wird, der sollte sich diesen Film nicht entgehen lassen. Natürlich sollte man hierüber nicht vergessen, dass der Mensch möglicherweise mehr ist, als die Summe seiner molekularen Bestandteile, weshalb die im Film gezeigte Sicht auf die Dinge für viele Menschen keineswegs alle Antworten geben kann. WARNUNG: Einige Szenen könnten als anstößig und ekelerregend empfunden werden!